Bio-Apfelernte in Remigen

Bio-Apfelernte in Remigen

Der Betrieb der Familie Vogt widmet sich seit 1996 dem Obstbau nach den strengen Knospe-Richtlinien der Bio-Suisse. Den Grundstein für die Bio-Obstanlage in der Nähe von Brugg/AG haben die Eltern des jetzigen Betriebsinhabers Christian Vogt gelegt.

Früher Erntetermin

Es ist noch um die 28 Grad warm, als wir für unseren Augenschein auf dem Bio-Obstbaubetrieb der Familie Vogt in Remigen eintreffen. Der Prachtsommer hat den Erntezeitpunkt um fast drei Wochen nach vorne verschoben. 2018 ist ein Ausnahmejahr, die Erntemengen aussergewöhnlich hoch. Nachdem die Vogts 2017 nach dem fatalen Spätfrost praktisch einen Totalausfall zu beklagen hatten, scheint dieses Jahr Rekorde zu brechen.

Christian Vogt ist voll in seinem Element, als er uns durch die gepflegten Obstanlagen führt. Über 30 verschiedene Sorten baut er auf rund 15 Hektaren an und gehört damit zu den grössten Bio-Obstproduzenten in der Schweiz. Der Betrieb beschäftigt ganzjährig um die 15 Mitarbeiter. Während der Erntezeit sind es mehr als doppelt so viele. Die Erntehelfer stammen meist aus der Ukraine und sind Studenten, die sich in einem landwirtschaftlichen Praktikum in der Schweiz einen erheblichen Teil Ihres Jahreseinkommens verdienen. Auch mit maschineller Unterstützung ist mit der Ernte noch viel Handarbeit verbunden. Die Äpfel werden vom Erntefahrzeug aus von Hand gepflückt und dann während der Fahrt über ein System aus Förderbändern und Bürsten äusserst schonend in grosse Kisten (Paloxen) abgelegt, in denen sie dann ins Lager gebracht werden.

Das Zeitfenster für die Ernte der einzelnen Sorten ist häufig sehr eng und entsprechend hektisch ist es im September und Oktober im Obstbau. Manchmal entscheidet ein einziger Tag mit sonnigem Wetter oder einer kühlen Nacht über den optimalen Pflückzeitpunkt. Neben dem Zuckergehalt werden auch andere Eigenschaften des Apfels gemessen aber immer auch sensorisch – mit einem herzhaften Biss in die Frucht – beurteilt. Hat sich in einem Apfel zum Beispiel schon zu viel Zucker gebildet – beim Reifeprozess bildet sich ein Teil des Zuckers aus Stärke – kann sich die Lagerzeit um mehrere Wochen reduzieren.

Hofeigenes Lager

Die Familie Vogt beitreibt auf dem Biohof ein eigenes Obstlager. Es können bis zu 700 Tonnen eigenes und Obst von weiteren Bioproduzenten im Aargau eingelagert werden. Zum einen sind es klassische Kühllager, aber auch modere CA-Lager (CA = kontrollierte Atmosphäre). So kann der Biokonsument fast das ganze Jahr mit knackigen und saftigen Bio-Äpfeln bedient werden. Während im konventionellen Anbau die Äpfel vor der Einlagerung in ein Bad mit einer Fungizidlösung getaucht werden, ist das im Biolandbau selbstverständlich verboten. Dafür kommen die Äpfel in ein Warmwasserbad. Das knapp 50 Grad warme Wasser inaktiviert Schimmelsporen auf der Schale und schützt die Frucht vor dem Verfaulen.

Die besten Früchte der Lagersorten werden dann im oben erwähnten CA-Lager sozusagen in einen Tiefschlaf versetzt. Da ein Apfel aus lebenden Zellen besteht, atmen diese unter normalen Bedingungen bei Wärme und Luft weiter bis zur Überreife und zum Verfaulen. Bei der kontrollierten Atmosphäre wird das Obst bis 4 Grad oder tiefer heruntergekühlt und der Luft im Lagerraum wird der grösste Teil des Sauerstoffs entzogen. So wird der Zellstoffwechsel der Frucht extrem verlangsamt und die Früchte bleiben über Monate erntefrisch. Die CA-Lager bleiben hermetisch verschlossen und werden erst im Frühling geöffnet. 

Mehr robuste Sorten

Die Obstpflanzen sind praktisch permanent von Schädlingen und Krankheiten bedroht. Im Vergleich zum konventionellen Anbau bestehen für Bio-Obstproduzenten durch die rigorosen Beschränkungen an Hilfsmitteln hohe Anforderungen und Produktionsrisiken. Bei Christian Vogt stehen darum immer mehr auch robuste Apfelsorten im Obstgarten, wie zum Beispiel die neue Sorte Ladina, welche feuerbrandresistent, schorftolerant und nur wenig anfällig auf Mehltau ist.

Wie bei der Bio-Getreidezüchtung wird auch bei der Züchtung neuer Bio-Apfelsorten sehr viel Arbeit von privater Seite und von gemeinnützigen Einrichtungen geleistet. Einer dieser gemeinnützigen Vereine, der sich zum Teil über Spenden finanziert, ist Poma Culta. Die Züchtungsarbeit findet bio Poma Culta auf einem biologisch-dynamischen Betrieb in Hessigkofen (Schweiz) statt. Die praktische Arbeit im Feld wird ergänzt durch Züchtungsbegleitforschung, die vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL in Frick (Schweiz) geleistet wird. 
Auf Projektebene wird mit der Apfelzüchtung von Agroscope Wädenswil aber auch mit verschiedenen Züchtern aus umliegenden Ländern zusammen gearbeitet. Aktuell befinden sich 10 neue Sorten in der Pipeline, die für den Biolandbau prädestiniert sind und ganz ohne Kupfer und Schwefel auskommen. Von der Züchtung eines ersten Sämlings bis zur Marktreife einer neuen Apfelsorte vergehen aber auch hier gut 15 Jahre!

Beim Verabschieden füllt uns Christian Vogt zwei Taschen mit erntefrischen Äpfeln nach unserer Wahl. Die neue Sorte «Ladina» hat es uns angetan. Die rotbackige Schönheit ist unglaublich knackig uns saftig im Biss. Das feine Fruchtfleisch hat ein harmonisches bis säuerlich-süsses Aroma und einen fast exotischen Geschmack, der ein wenig an Litschi erinnert. An diesem Nachmittag haben wir definitiv einen neuen Lieblingsapfel entdeckt.

Text: Stefan Jost, Mahler & Co.
Bilder: Gabriella Resenterra, Mahler & Co.

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